Ist Winnetou so brutal wie Rocky?
Die Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
Vorbemerkung Also, geharnischte Kritik an den Altersfreigaben, wobei nicht explizit erwähnt wird, dass ROCKY BALBOA im Jahre 2007 geprüft wurde und WINNETOU - UNTER GEIERN im Jahre 1964. Ist dieser Artikel ein Spiegelbild der öffentlichen Meinung über die FSK? Der Fairness halber muss ich sagen, dass der Artikel sich in seinem weiteren Verlauf positiv mit der Arbeit der FSK auseinandersetzt. Aber wie es im Leben so ist, die Balkenüberschriften erzeugen die Aufmerksamkeit und bestimmen die Diskussion. Richtig ist sicherlich, dass die FSK - und ich schließe alle Selbstkontrollen hier mit ein - selten Lob erhalten. Viel öfter wird Kritik geübt, der Jugendmedienschutz sei viel zu lasch, oder er orientiere sich nicht an den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, er treibe Zensur und im übrigen säßen in den Gremien sowieso Leute, die von dem Medium, welches sie zu beurteilen haben, nichts verstünden. Voraussetzungen Die FSK kombiniert die Selbstkontrolle mit staatlicher Aufsicht. Sie ist ein "Public-Private-Partnership-Modell". Nach dem Jugendschutzgesetz sind die Obersten Landesjugendbehörden für die Freigaben von Kinofilmen und anderen Trägermedien zuständig. Sie bedienen sich dabei auf der Grundlage einer Ländervereinbarung der Gutachten der FSK. Die Organisation der Prüfung wird von der Filmwirtschaft durchgeführt, die Filmprüfungen werden von der Grundsatzkommission begleitet, in der neben der Film- und Videowirtschaft u.a. die Kirchen, Jugendverbände, Vertreter von Ministerien, Landesmedienanstalten, die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sowie die Obersten Landesbehörden vertreten sind. Die Prüfausschüsse selbst werden proportional zur Grundsatzkommission besetzt, wobei den Vorsitz im Prüfungsausschuss der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden hat, durch dessen Unterschrift auf der Freigabekarte das gutachterliche Votum zu einem Verwaltungsakt der Länder wird. Dies ist eine Form der Selbstkontrolle, die wirtschaftliche Interessen und staatliche Aufsicht kombiniert. Der Vorteil für die Wirtschaft liegt auf der Hand. Die Verleiher brauchen nicht lange auf die Ergebnisse zu warten, da die Prüfungen nach den Bedürfnissen des Marktes stattfinden. Prüfungsverfahren werden schnell organisiert. Für die behördliche Seite liegt der Vorteil darin, dass die FSK die Freigaben für alle Bundesländer organisiert und keine eigenen aufwendigen staatlichen Prüfungen durchführen muss. Zu betonen ist, dass diese Freigaben keine pädagogischen Empfehlungen sind, sondern sicherstellen sollen, dass keine beeinträchtigenden Wirkungen Kinder und Jugendliche einer bestimmten Altersstufe durch das Anschauen eines Filmes erfahren. Durch die Anbindung der FSK-Freigaben an den Jugendmedienschutzstaatsvertrag werden Filme, die im Fernsehen ausgestrahlt werden, an Sendezeiten gekoppelt. Filme die ab 16 Jahren freigegeben sind, dürfen erst nach 22:00 Uhr, Filme mit der Kennzeichnung "Keine Jugendfreigabe" erst nach 23:00 Uhr gesendet werden. Filme mit der Alterskennzeichnung ab 12 Jahren sind so zu platzieren, dass den Belangen hinsichtlich des Schutzes auch jüngerer Kinder Rechnung getragen wird. Praxis Die überstimmte Minderheit des Arbeitsausschusses, das sind 2 Kollegen, oder auch die antragstellende Firma kann Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsausschusses einlegen, die zum Hauptausschuss führt. Hier sind 7 andere Kolleginnen und Kollegen tätig, die ebenfalls wieder analog zum Arbeitsausschuss besetzt werden, 4 von der öffentlichen Hand und 3 von der Filmwirtschaft. Bei ca. 1.800 Spielfilmneuprüfungen pro Jahr, damit liegt Deutschland in Europa zusammen mit Großbritannien an der Spitze der Spielfilmneuerscheinungen, wobei über 2/3 davon DVD- oder Video-Premieren sind, finden ca. 50 Hauptausschusssitzungen im Jahr statt. Die Zahl belegt, dass die Akzeptanz der Arbeitsausschussentscheidungen sehr groß ist. Die letzte Instanz ist das Appellationsverfahren der Länder. Filme, die in der Öffentlichkeit besonders kontrovers diskutiert wurden, werden in diesem Verfahren auf Antrag eines Bundeslandes nochmals geprüft. Dieses ist ausschließlich mit Vertretern der Bundesländer besetzt und besteht aus 7 Personen. Das gleiche Recht zur Appellation haben die Spitzenverbände der Film- und Videowirtschaft. Nach dieser Entscheidung ist eine weitere Berufung nicht mehr möglich. Die ca. 270 ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfer kommen zu einem großen Teil aus der pädagogischen Arbeit, d.h. sie sind keine professionellen Filmkritiker. Dies würde dem plural zusammengesetzten Charakter der FSK-Ausschüsse widersprechen. Die Ausschüsse, die sich sowohl altersmäßig als auch herkunftsmäßig heterogen zusammensetzen, sollen ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Realität darstellen. Dies ist wichtig für die Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Unumstößliche Kriterien für bestimmte Freigaben gibt es nicht. Es gibt aber selbstverständlich Leitlinien, Ansatzpunkte, die für eine bestimmte Altersstufe sprechen. Sexualität ist beispielsweise kein vordringliches Problem der FSK-Arbeit. Allerdings beschäftigt dieses Thema die Ausschüsse durch die Wiedervorlagen deutscher Erotikfilme aus den 70er-Jahren zur Zeit immer wieder. Diese Produktionen mögen zwar aufgrund ihrer Gestaltung, Ausstattung und Figurenführung antiquiert wirken, ihre inhaltliche Aussage kann dennoch auch heute noch beeinträchtigende Wirkungen auf Jugendliche haben. Wie wird Homosexualität im Film gezeigt, welche Geschlechterrollen werden angeboten? Das sind Themen, die die heutigen Ausschüsse kritisch reflektieren - und nicht nackte Körper. Das vordringlichste Problem ist die Darstellung von Gewalt und ihre mögliche Wirkung. Kein ernst zu nehmender Jugendschutzsachverständiger spricht von einem schlichten Ursache/Wirkungs-Zusammenhang. Medienrezeption ist ein komplexes Geschehen, bei dem zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. Insbesondere Alter, Geschlecht, Lebens- und Wertvorstellungen sowie das soziale Umfeld bestimmen die mögliche Wirkung eines Filmes. 1. Die durch die Novellierung des Jugendschutzgesetzes im Jahre 2003 hinzugekommene neue Aufgabe für die Prüfausschüsse bei der Vergabe der Kennzeichnung "Keine Jugendfreigabe", zwischen Jugendbeeinträchtigung und Jugendgefährdung zu differenzieren, ist schwierig. Kinofilme werden dabei nach den Kriterien der schweren Jugendgefährdung geprüft, andere Trägermedien nach den Kriterien der sogenannten einfachen Jugendgefährdung. Wird dies in den Ausschüssen der FSK für ein Produkt bejaht, so erfolgt nicht die Kennzeichnung "Keine Jugendfreigabe", sondern es erfolgt eben "Keine Kennzeichnung". 2. Ein zweiter Punkt ist die immer wieder diskutierte Frage: Stimmen die Alterseinstufungen der FSK mit dem Entwicklungsstand heutiger Kinder und Jugendlicher noch überein? Eine Diskussion, die ich seit 20 Jahren führe. Bereits im Jahre 1989 habe ich andere Alterseinstufungen vorgeschlagen, 0, 10, 14 und 18 Jahre. Mittlerweile bin ich der Ansicht, dass es wichtigere Probleme im Jugendmedienschutz gibt, als andere Alterskohortierungen, die sowieso letztlich nicht stimmig ausfallen können. 3. Der dritte Punkt ist die sogenannte PG-Regelung (Parental Guidance), d.h. die Möglichkeit, dass bei Filmen, die ab 12 Jahren freigegeben sind, Personensorgeberechtigte, in der Regel also Eltern, mit ihren Kindern zwischen 6 und 11 Jahren gemeinsam Filme ab 12 anschauen können. Grundsätzlich halte ich diese Möglichkeit für sinnvoll, verhehle aber nicht, dass es sehr unterschiedliche Meinungen dazu gibt. Schlussbeurteilung
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