Die Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der FSK trafen sich am 29. und 30. September 2016 in den Räumen der FSK zu ihrer Jahrestagung. Die Veranstaltung widmete sich dem Schwerpunkt "Kinderfilm".
Der Medienpädagoge und Autor der Website „www.filme-schoener-sehen.de“ Stefan Stiletto referierte zum Thema „Spannung und Action im Kinderfilm“. Er konnte feststellen, dass Filme für Kinder unter 12 Jahren das Unterhaltungsbedürfnis ihrer Zuschauer auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfüllen. Bei Animationsfilmen werden mit Hilfe von Slapstick und „physical comedy“ humorvolle Übertreibungen erzielt. Dadurch können auch schnelle Schnitte, düstere Farbgestaltungen oder bedrohliche Situationen abgemildert werden. Durch fotorealistische Gestaltungsmöglichkeiten moderner CGI-Technik kommt der Tongestaltung Bedeutung zu, die besonders düstere Momente oder subjektive, Spannung erzeugende Kameraeinstellungen konterkariert und entlastet. Stefan Stiletto bemerkte zudem, dass Kinderfilme Erzähltechniken und Gestaltungsmerkmale von Genres zitieren wie beispielsweise den Horrorfilm, die üblicherweise einem älteren Publikum zugänglich sind. Humor, starke und sympathische Protagonisten und eine nachvollziehbare Handlung machen diese Filme aber auch für ein kindliches Publikum problemlos verkraftbar und fördern einen kompetenten Umgang mit verschiedenen Filmgenres.
Christian Exner, wissenschaftlich pädagogischer Mitarbeiter im Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum Remscheid und Lehrbeauftragter an der Universität Bielefeld, beleuchtete das Thema Kinderfilm mit seinem Referat „Mittel der Filmsprache – Bedeutung und Wirkung“ aus filmtheoretischer Sicht. Zunächst hielt er fest, dass Filmsprache universell zugänglich ist, auch wenn der Zuschauer nicht jedes Detail decodieren kann. Denn Filmsprache steht für ein Zusammenspiel aus Filmdramaturgie und Filmästhetik. In der Analyse stellte er fest, dass Filme vielfach mit einer doppelten Codierung arbeiten. Zum einen bieten sie gestalterische Strukturen, die auf die kindliche Interpretation abzielen, zum anderen Inszenierungselemente, die an das komplexere Lebenswissen erwachsener Zuschauer appellieren. Diese „professionelle Irritation“ entwickelt eine Spannung, die dem Film eine besondere inhaltliche Tiefe geben kann. Symbole können dabei nicht nur Zeichen, sondern auch Schauplätze, Bekleidungsnormen aber auch Mimik oder Gestik sein – Codes, die intuitiv auch von kindlichen Zuschauern in Beziehungsgefüge, Gefühlswelten oder Stimmungslagen übersetzt werden.
Sebastian Schnurr, Medienwissenschaftler bei der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden, berichtete über das Projekt „Kino für Flüchtlingskinder“, das mit großem Erfolg seit Oktober 2015 durchgeführt wird. Ins Leben gerufen wurde die Veranstaltungsreihe von den Wiesbadener Filminstitutionen Kuratorium junger deutscher Film, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) sowie der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Unterstützt durch die Stadt Wiesbaden finden alle vier Wochen Flüchtlingskinder in Begleitung ihrer Eltern den Weg in das Murnau-Filmtheater und verbringen dort einen unbeschwerten Nachmittag. Vorgeführt werden insbesondere Filme, die besonders die visuelle Wahrnehmung von Kindern ansprechen, um die Sprachhürde so niedrig wie möglich zu halten.
Ergänzend zu diesem fachlichen Input setzten sich die Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden mit praktischen Aspekten ihrer Prüfarbeit auseinander.
Drei hauptamtlich und 55 nebenamtlich tätige Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden führen den Vorsitz in der Prüfung zur Alterskennzeichnung von Filmen fürs Kino oder für den Vertrieb auf Trägermedien. In ihrer diesjährigen Jahrestagung widmeten sie sich mit drei Schwerpunktvorträgen dem Thema „Kinderfilm“.
Stefan Stiletto
Sebastian Schnurr
Christian Exner
Patrick Seyboth, Kai Mihm
Fotos: Peter Kaun
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